
Die Zukunft der Arbeitswelt im Südwesten
Homeoffice oder Präsenz? In Zukunft wollen Arbeitnehmer hybride Formen, prognostiziert Florian Kunze, Professor an der Universität Konstanz und Herausgeber der viel beachteten, ersten Homeoffice-Studie. Warum sich besonders mittelständische Unternehmen strategisch neu aufstellen müssen, erklärt er im Interview
Herr Kunze, als Professor für Organisational Studies an der Universität Konstanz leiten Sie das „Future Work Lab“, das die Themen Arbeitswelt, Digitalisierung, Diversity und Demografie untersucht. In Ihrem neuen Buch „Homeoffice und mobiles Arbeiten“ sprechen Sie über Remote Leadership, virtuelle Teams und die Zukunft der Arbeit. Wie sieht diese aus?
Aktuell verändert sich die Arbeitswelt in einer Geschwindigkeit, die es ohne die pandemische Situation nicht gegeben hätte. Die Zunahme an mobilem Arbeiten und Homeoffice war ein großes Experiment: Fast 40 Prozent der Beschäftigten in Deutschland haben von zu Hause aus gearbeitet. Arbeitgeber müssen sich darauf einstellen, dass flexibles Arbeiten aus dem Homeoffice auch weiterhin Bestand haben wird. Bürotätigkeiten lassen sich auch gut von zu Hause aus erledigen. Die Arbeitswelt wird sich stark ändern.
Sie haben die Zunahme von mobilem Arbeiten in Ihrer Studie „Homeoffice in der Corona-Krise“ untersucht. Diese Forschung der Uni Konstanz fand in der bundesweiten Presse viel Berücksichtigung. Wie erheben Sie die Daten?
Unserer Arbeitsgruppe und dem Future Work Lab war von Beginn der Pandemie an klar, dass wir diese spannende Entwicklung gerne wissenschaftlich und empirisch begleiten wollten. Seitdem befragen wir regelmäßig Erwerbstätige, die in Bezug auf Alter und Geschlecht repräsentativ für die Erwerbsbevölkerung in Deutschland stehen.
Welche Erkenntnisse konnten Sie daraus ableiten?
Homeoffice klappt deutlich besser, als viele Unternehmen es vorher vermutet hatten. In Deutschland herrschte große Skepsis gegenüber neuen Arbeitsformen. Da wurde häufig Leistung mit Präsenz gleichgesetzt. Tatsächlich setzt die Flexibilität, die viele Mitarbeiter nun haben, ein hohes Maß an Motivation, Engagement und Produktivität frei: Viele der Befragten geben an, im Vergleich zu vorher sehr engagiert oder produktiv zu sein. Die „Homeoffice-Euphorie“ ist noch ziemlich stark zu spüren. Die meisten der Teilnehmenden wünschen sich, eine hybride Arbeitsform mit einer Mischung aus Präsenz und mobiler Arbeit beizubehalten. Unternehmen müssen sich darauf einstellen.
Wie sieht die zukünftige Arbeitswelt bei uns im Südwesten aus?
Kleine und mittelständische Unternehmen müssen sich mit alternativen Arbeitsformen beschäftigen. Das zeigt unsere Studie; auch wenn ich mit Unternehmern und Personalräten spreche, sind große Unternehmen oft wesentlich strategischer ausgerichtet. Dabei sollten gerade die Mittelständler, die die Wirtschaft in unserem Raum prägen, eigene Rahmenbedingungen schaffen statt nur zu reagieren.
Bei einigen Unternehmen können natürlich nicht alle Bereiche von zu Hause arbeiten. Da braucht es Spielräume. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, Mitarbeitende und besonders Führungskräfte zu befähigen, in diesem neuen Setting zurechtzukommen, indem man etwa Weiterbildungen und Schulungen anbietet: Dazu gehören Selbstmanagement, die Strukturierung der Arbeit zu Hause und die Unterstützung von Führungskräften bei Leadership auf Distanz.
Müssen Arbeitgeber heute mehr leisten als früher?
Es reicht nicht, gutes Gehalt zu zahlen oder zu denken, man habe die spannendsten Produkte und die anderen werden das schon mitbekommen. Es lohnt sich, diese Themen strategisch anzugehen und zu überlegen: Wie komme ich gut an meine Zielgruppe heran, was ist mein Unique Selling Point, was stellt mein Unternehmen für Bewerber dar? Zu berücksichtigen ist hier einmal das Hard Set – Produkte, Traditionen – aber auch weiche Faktoren. Gerade bei Letzteren sollte man sich Gedanken machen, wie diese systematisch bewertet werden können. Das ist auch mein Credo: eine Führungs- und Unternehmenskultur zu evaluieren und messbar zu machen – etwa in Form von Mitarbeiterbefragungen. So erkennt man, was schon gut funktioniert und was verbessert werden kann.
Stichwort Employer Branding: Wenn ich nach außen eine Marke spiegele, die nicht mehr ist als eine leere Hülle ohne Kultur und Leben, dann wird das Konstrukt relativ schnell zusammenbrechen. Es muss authentisch sein und diese kulturellen Faktoren müssen wirklich stattfinden – das gilt auch für Probleme: Diese muss man unbedingt systematisch angehen.